Bibelkommentare

Erklärungen zur Bibel

 

Matthäus 16

Vers 1

Und die Pharisäer und Sadduzäer kamen herbei; und um ihn zu versuchen, baten sie ihn, er möge ihnen ein Zeichen aus dem Himmel zeigen. Mt 16,1

Die religiösen Juden konnten den Herrn Jesus einfach nicht in Ruhe lassen! Mt 16,1 ist fast eine wortwörtliche Wiederholung von Mt 15,1. Die Juden hatten den Herrn Jesus als ihren Messias verworfen, aber sie sahen sich offenbar gezwungen, Ihn immer und immer wieder herauszufordern. Wahrscheinlich wollten sie quasi öffentlich beweisen, dass sie im Recht waren und dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatten. So ist der Mensch. Sein Stolz ist sein höchstes Gut. Er gibt unglaublich viel dafür, seine Ehre (vor den anderen Menschen) zu retten. Das hält leider auch viele davon ab, zum echten, lebendigen Glauben an Gott zu kommen, denn dafür ist ein uneingeschränktes Schuld- und Versagensbekenntnis erforderlich, was unserem Stolz diametral zuwiderläuft.

Besonders schlimm hier in Mt 16,1 ist die unselige Verbindung von Pharisäern und Sadduzäern. Beides waren Sekten innerhalb des Judentums, aber ihre Ausrichtung hätte nicht unterschiedlicher sein können. Die Pharisäer waren überfromm und gesetzlich, die Sadduzäer dagegen weltlich und genusssüchtig. Die Anhänger beider Richtungen hassten aber den Herrn Jesus gleichermassen und dieser gemeinsame Hass vermochte offenbar alle Schranken zu überwinden. Dieselbe traurige Tatsache sehen wir auch bei Herodes und Pilatus, die einander nicht ausstehen konnten, aber an jenem Tag, an dem sie gemeinsam den Herrn Jesus unschuldig zum Tod verurteilten, Freundschaft schlossen (Lk 23,12).

Vers 2

Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Wenn es Abend geworden ist, so sagt ihr: Heiteres Wetter, denn der Himmel ist feuerrot; Mt 16,2

Die Pharisäer und die Sadduzäer forderten ein Zeichen aus dem Himmel. Aber das war nur ein Vorwand. Solche Zeichen waren bereits geschehen und sie hatten sie entweder geleugnet oder aber, wenn die Aussergewöhnlichkeit einer Tat unseres Herrn nicht zu leugnen war, dem Teufel zugeschrieben. Sollte sich der Herr Jesus nun auf dieses Spiel einlassen? Natürlich nicht! Der HERR ist sehr gnädig, langmütig und geduldig. Er geht den Menschen nach und kommt ihnen weit, weit entgegen. Aber ganz sicher lässt Er Sich nicht zum Hampelmann machen!

Der Herr Jesus gab den Juden also kein (weiteres) Zeichen vom Himmel, aber Er erklärte ihnen anhand des Himmels die Zeichen der Zeit. Er knüpfte an den natürlichen Vorgängen an, um den entscheidenden Punkt so zu erklären, dass jeder ihn verstehen konnte, wenn er denn gewollt hätte. Zugleich aber hat Seine Belehrung einen tieferen, bildlichen Sinn, der die Juden zusätzlich ernsthaft hätte warnen sollen.

Das Phänomen, das hier in Mt 16,2 beschrieben wird, ist relativ leicht zu erklären: Wenn der Wind in Israel von Osten nach Westen geht, führt er trockene Luft vom Landesinnern nach Israel. Die Wolken werden nach Westen über das Mittelmeer getrieben und die untergehende Abendsonne erscheint besonders rot. Die trockene Luft verheisst in aller Regel gutes Wetter für den nächsten Tag. So konnte man also damals bereits relativ einfach eine ziemlich zuverlässige Wetterprognose für den nächsten Tag abgeben.

Bildlich spricht dieses Phänomen vom Kommen des Messias. Da gab es quasi eine Bewegung aus dem Land selbst (der Herr Jesus war dem Fleisch nach ein Jude) und diese Bewegung hätte Segen für das Land bringen sollen. Die vielen Geheilten und Befreiten sowie die Botschaft der Gnade, die verkündigt worden war, waren die Zeichen für diesen bereit stehenden Segen, quasi der rote Abendhimmel, der einen wunderbaren nächsten Tag verheisst. Das hätte den Juden eigentlich Zeichen genug sein müssen.

Vers 3

und frühmorgens: Heute stürmisches Wetter, denn der Himmel ist feuerrot und trübe. Das Aussehen des Himmels wisst ihr zwar zu beurteilen, aber die Zeichen der Zeiten könnt ihr nicht beurteilen. Mt 16,3

Wenn der Himmel über Israel nicht am Abend, sondern am Morgen rot war, dann kam das Wetter von Westen, vom Mittelmeer her, was bedeutete, dass es Regen und Sturm geben würde. Auch hierin liegt eine bildliche Bedeutung, denn die Verwerfung des Messias hatte nicht einen heiteren Tag zur Folge, sondern eine finstere Nacht. Wenige Jahre nach der Kreuzigung des Herrn Jesus wurde die Stadt Jerusalem mitsamt dem Tempel dem Erdboden gleich gemacht. In der Folge wurden die Juden ständig verfolgt und vertrieben. Bis heute ist es ihnen nicht gelungen, den Tempel wieder aufzubauen. Am Horizont zeigen sich jetzt nicht Hinweise auf eine (direkte) Wendung zum Guten; die Zeichen stehen auf Sturm. Israel wird durch eine schreckliche Zeit gehen müssen, die all das vorherige Leid in den Schatten stellen wird, die Grosse Drangsal. Erst dann wird der heitere Tag anbrechen, der sich schon vor so langer Zeit angekündigt hatte.

Nicht nur die bildliche Bedeutung des kurzen Gleichnisses des Herrn Jesus ist ernst, sondern auch die offenkundige Bedeutung Seiner Aussage. Die Juden waren ohne Weiteres fähig, Wetterprognosen abzugeben. Sie konnten das Irdische beurteilen und richtige Schlüsse ziehen. Aber in Bezug auf die wirklich himmlischen Dinge waren sie blind und taub. Das ist ein überaus trauriger Zustand, indem sich auch unsere heutige christliche Gesellschaft befindet. Wir sind so klug geworden; wir können alle möglichen Dinge untersuchen und beurteilen. Wir können weitreichende Schlussfolgerungen ziehen und unser Leben ordnen. Aber in Bezug auf die himmlischen Dinge sind wir blind und taub. Das zeigt, dass wir irdisch gesinnt und nicht auf Gott hin ausgerichtet sind.

Vers 4

Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht verlangt nach einem Zeichen; und kein Zeichen wird ihm gegeben werden, als nur das Zeichen Jonas. Und er verliess sie und ging weg. Mt 16,4

Die Pharisäer und die Sadduzäer gehörten einem bösen und ehebrecherischen Geschlecht an, denn dieser Ausdruck ist eine Bezeichnung für das Volk Israel damals. Gott der HERR war am Sinai einen Ehebund mit dem Volk Israel eingegangen, aber die Israeliten hatten sich in der Folge fremden Götzen hingegeben, was mit Ehebruch zu vergleichen ist. Das ist sehr ernst! In Spr 6,23 ff. werden wir mit sehr drastischen Worten vor Ehebruch gewarnt. Am Ende heisst es, dass man jede andere Schuld irgendwie wieder gutmachen oder tilgen kann, aber der gehörnt Ehemann wird keine Rücksicht auf irgendein Sühnegeld nehmen, nicht einwilligen, kein Mitleid verspüren, sondern seiner Zornglut am Tag der Rache freien Lauf lassen (vgl. Spr 6,34.35). Was hat das für Israel zu bedeuten!

Doch der Herr Jesus nannte die Israeliten nicht nur ein ehebrecherisches, sondern auch ein böses Geschlecht. Da musste es eine zweite Bosheit geben, die für sich allein erwähnenswert war. Und tatsächlich! Nehmen wir einmal an, eine Frau habe ihren Ehemann mit einem anderen Mann betrogen. Eigentlich liebt sie ihren Ehemann und eigentlich hätte sie nie so etwas tun wollen, aber es gab eine Ehekrise, dann kam ein allzu verlockendes Angebot und sie wurde einmalig schwach. Das ist sehr, sehr übel! Aber für die Ehe kann es eine Chance geben, weil die Frau ihren Ehemann ja eigentlich liebt. Ganz anders sieht es dagegen aus, wenn sie ihn betrügt, weil sie ihn nicht mehr liebt, sondern lieber einen anderen Mann hätte. Das könnte man als eine doppelte Bosheit bezeichnen, nämlich als Ehebruch kombiniert mit einer Ablehnung des Ehemannes. Und genau das hat Israel getan! Nicht nur waren die Israeliten fremden Götzen nachgegangen, nein, sie hatten auch den Herrn Jesus entschieden verworfen. Das war eine besondere Bosheit.

Ein weiteres Zeichen wäre sinnlos gewesen. Nur noch ein einziges Zeichen sollte dem Volk gegeben werden, nämlich das Zeichen Jonas (vgl. Mt 12,38 ff.). In Seiner Gnade gab der HERR diesem bösen und ehebrecherischen Geschlecht also doch nochmals ein Zeichen, aber Er machte Sich nicht zum Hampelmann. Mit diesem kurzen und harten Wort liess Er die Pharisäer und die Sadduzäer stehen und ging weg. Wie ernst ist das!

Vers 5

Und als seine Jünger an das jenseitige Ufer gekommen waren, hatten sie vergessen, Brote mitzunehmen. Mt 16,5

Die Jünger unterschieden sich in einem ganz wesentlichen Punkt von den Pharisäern und Sadduzäern: Sie lehnten den Herrn Jesus Christus nicht ab, sondern folgten Ihm nach. Im Prinzip lässt sich die ganze Menschheit in zwei Gruppen einteilen, nämlich in jene, die ein Ja zur Person des Herrn Jesus Christus haben, und in solche, die Ihn ablehnen. Diese beiden Gruppen unterscheiden sich wie Tag und Nacht voneinander, denn sie haben komplett unterschiedliche Ausrichtungen bezüglich der elementarsten Dinge des Lebens.

Und doch muss man leider immer wieder feststellen, dass die Unterschiede im Alltag und im praktischen Verhalten gar nicht so gross sind. Die Pharisäer und Sadduzäer waren irdisch gesinnt, d.h. sie interessierten sich für irdische Dinge. Sie konnten das Wetter beurteilen, aber das Handeln Gottes nicht erkennen, obwohl es so offenbar war. Die Jünger hätten himmlisch gesinnt sein sollen, denn sie waren verbunden mit Dem, der aus dem Himmel gekommen war, um später wieder dahin zurückzukehren. Aber ihre Gedanken kreisten nicht um den Himmel, sondern um Brot! Man muss sich das einmal vorstellen: Gerade hatten sie gehört, wie der Herr Jesus über die wichtigste Zeit in der Menschheitsgeschichte, über die Zeichen der himmlischen Dinge etc. gesprochen hatte, aber wenn man sie gefragt hätte, was ihnen gerade durch den Kopf gehe, hätten sie geantwortet: Brot. Brot! Doch wie oft sind wir genau gleich gestrickt? Den lieben langen Tag hindurch beschäftigen wir uns mit den gewöhnlichsten Dingen, mit Brot, Wasser, Kleidung und solchen Dingen, aber für die himmlischen Dinge bleibt kaum Raum. So sollte es nicht sein!

Vers 6

Jesus aber sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer! Mt 16,6

Während die Jünger bereits wieder über irdische Dinge nachsinnten, war der Herr Jesus offensichtlich weiterhin in Seinen Gedanken beim Gespräch, das Er soeben geführt hatte. Die Pharisäer und Sadduzäer hatten Ihn herausgefordert; Er hatte ihnen eine Abfuhr erteilt. Jetzt wollte Er Seine Jünger vor der bösen Lehre (vgl. V.12) dieser beiden Sekten warnen. Wir werden allerdings gleich in den folgenden Versen sehen, dass es zu einem Missverständnis kam. Weshalb? Weil die Jünger mit anderen Dingen beschäftigt waren als der HERR.

Natürlich ist es illusorisch anzunehmen, dass wir den ganzen lieben Tag hindurch nur mit himmlischen Dingen beschäftigt wären. Wir sollen unseren irdischen Verpflichtungen treu und fleissig nachkommen und das bedeutet nun einmal, dass wir uns auch gedanklich damit beschäftigen müssen. Zudem bewegen wir uns in dieser Welt und wir sind auch von dieser Erde, weshalb es völlig normal ist, dass unsere Gedanken um irdische Dinge kreisen. Problematisch wird es dagegen, wenn wir nur über solche Dinge nachsinnen, denn dann verlieren wir quasi den Kontakt zum HERRN.

Jede menschliche Beziehung lebt davon, dass man sich austauscht. Ein Austausch ist aber nur möglich, wenn man einander versteht. Dafür muss man aber die Gedanken und Überlegungen des Gegenübers kennen sowie in der Lage sein, seine Sichtweise einzunehmen, also die Dinge so zu betrachten, wie das Gegenüber sie betrachtet. In der Beziehung mit Gott ist es genau gleich. Wir kommen Ihm umso näher, je besser wir Seine Gedanken kennen und je mehr wir lernen, die Dinge aus Seiner Sicht zu betrachten. Je tiefer unsere Beziehung zu Ihm wird, umso mehr werden wir erkennen, dass selbst die gewöhnlichsten und natürlichsten Dinge (wie z.B. Essen und Trinken) eine geistliche Komponente haben, uns etwas über Ihn und über uns sowie über geistliche Prinzipien zu sagen haben. Wir werden auch immer besser verstehen, dass wir nicht tagtäglich mit einer endlosen Reihe von Zufällen konfrontiert sind, sondern uns in einer Schule befinden, in der alles zu unserer Belehrung und Unterweisung dient. Wir werden verstehen, dass es nicht darum geht, ein menschlich gesehen gutes Leben mit Glück und Gesundheit, einem Haus, zwei Kindern, einem Hund und einem weissen Gartenzaun zu führen, sondern vielmehr darum, Ihm in allem ähnlicher zu werden. Noch so vieles mehr könnte hierzu geschrieben werden, aber an dieser Stelle muss es genügen darauf hinzuweisen, dass es gut für uns ist, wenn wir auch in unserem Alltag immer wieder mal danach fragen, wie der HERR die Dinge sieht. Je mehr wir Seine Sichtweise in Bezug auf alles Mögliche einnehmen, umso besser werden wir Seinen Plan für unser persönliches Leben verstehen und wertschätzen.

Vers 7

Sie aber überlegten bei sich selbst und sagten: Das sagt er, weil wir keine Brote mitgenommen haben. Mt 16,7

Hier haben wir ein klassisches Missverständnis vor uns. Der Herr Jesus wollte Seine Jünger vor der bösen Lehre der Pharisäer und Sadduzäer warnen (vgl. V. 12), aber sie meinten, Er würde sie tadeln, weil sie vergessen hatten, Brote mitzunehmen. Man fragt sich vielleicht, wie so ein grobes Missverständnis aufkommen konnte, aber das ist eigentlich gar nicht so verwunderlich. Die Jünger waren nämlich in Gedanken an einem völlig anderen Ort als der Herr Jesus, wie wir bereits gesehen haben. Sie waren mit den Broten beschäftigt, hörten etwas von Sauerteig (der zum Backen von Brot benötigt wird) und dachten deshalb, der Herr Jesus müsse in Gedanken auch mit den Broten beschäftigt sein.

Auch im Alltag kommen viele Missverständnisse auf eine solche Weise zustande. Man hört dem Gegenüber gar nicht richtig zu, sondern ordnet dessen Aussagen in die eigene kleine Gedankenwelt ein, oft unbewusst und ohne sich zu fragen, ob das überhaupt zusammen passt. Viele Missverständnisse könnten deshalb vermieden werden, wenn man den eigenen Gedankenfluss kurz stoppen, dem Gegenüber richtig zuhören und versuchen würde, sich in dessen Situation und Sichtweise hineinzudenken.

Was wichtig für zwischenmenschliche Beziehungen ist, ist umso wichtiger für unsere Beziehung zum HERRN. Wenn Er durch Seinen Geist und durch Sein Wort (die Bibel) zu uns spricht, dann sollten wir ganz besonders darum bemüht sein, Ihm richtig zuzuhören. Dazu gehört, dass wir uns von unseren eigenen Vorstellungen und Sichtweisen lösen und versuchen, Seine Sicht zu teilen. Das wird unser Verständnis für Sein Wort ganz erheblich verbessern!

Vers 8

Als aber Jesus es erkannte, sprach er: Was überlegt ihr bei euch selbst, Kleingläubige, weil ihr keine Brote habt? Mt 16,8

Der Herr Jesus hatte ganz andere Gedanken als die Jünger, aber im Gegensatz zu ihnen hatte Er ein unvergleichliches Gespür für Sein Gegenüber. Während sie nicht verstanden, dass Er von etwas ganz anderem sprach, als sie dachten, erkannte Er sofort, dass sie in Gedanken an einem anderen Ort waren. So konnte Er sie dort «abholen», wo sie sich befanden, um sie dahin zu führen, wo Er sie haben wollte. Wenn wir die Evangelien einmal unter diesem Gesichtspunkt studieren, wird uns auffallen, wie unglaublich kreativ und einfühlsam der Herr Jesus jeweils mit den Menschen gesprochen hat. Obwohl Er wirklich mit allen möglichen Arten von Personen konfrontiert war, die teilweise nicht unterschiedlicher hätten sein können, konnte Er immer problemlos den passenden Anknüpfungspunkt finden und die richtige Botschaft vermitteln. Ach, wenn wir nur ein Prozent dieses Einfühlungsvermögens hätten!

Interessant ist, dass der Herr Jesus die Jünger nicht etwa dafür tadelt, dass sie Ihm nicht richtig zugehört hatten, sondern vielmehr für ihren Kleinglauben. Für Ihn war es nicht der Rede wert, dass sie Ihn zunächst missverstanden hatten, denn dieses Missverständnis konnte ja in ein, zwei Sätzen ausgeräumt werden. Was Ihn dagegen betrübte, war die Meinung der Jünger, sie müssten für die nötige Nahrung sorgen. Sie hatten offensichtlich noch nicht gelernt, dem HERRN völlig zu vertrauen und alles aus Seiner Hand zu nehmen, so, wie Er es ihnen darreichte. Das war Kleinglaube.

Leider haben wir oft dieselbe Einstellung. Natürlich sollen wir unserer Verantwortung gerecht werden. Wir sollen einer Arbeit nachgehen und diese treu und fleissig ausführen. Wir sollen uns um unseren Ehepartner und um unsere Kinder sowie um unsere Eltern kümmern. Wir sollen die familiären Beziehungen nicht als selbstverständlich hinnehmen, sondern dafür kämpfen, uns dafür hingeben. Wir sollen das Evangelium predigen und noch vieles mehr. Aber wir sollen niemals denken, dass wir die alleinige Verantwortung für all diese Dinge trügen. Der HERR ist es, der für uns sorgt! Wenn Er kein Gelingen schenkt, können wir uns noch so abmühen; wir werden scheitern. Wenn Er dagegen Gelingen schenkt, werden wir fast wie im Schlaf Erfolg haben.

Ein Beispiel: Du denkst vielleicht, dass Du mehr Geld benötigst. Du setzt Dich hin und überlegst, wie Du zu mehr Geld kommen könntest. Du entwirfst Pläne, Du setzt Hebel in Bewegung, wirst aktiv und setzt Deine ganze Zeit und Energie ein für das Projekt «Geldvermehrung». Das ist nicht gut. Wir sollen uns mit dem begnügen, was vorhanden ist. Wenn wir unseren Verpflichtungen nicht nachkommen können, sollen wir uns im Gebet an den HERRN wenden. Er wird uns entweder mehr Geld zur Verfügung stellen oder aber auf Ausgaben hinweisen, die unnötig sind. Vielleicht werden wir auch in einem Punkt (oder mehreren) aktiv werden müssen; vielleicht werden wir auch Zeit und Energie aufwenden müssen, um unsere finanzielle Lage zu verbessern, aber wir werden es nicht als unser eigenes Projekt nach eigenem Gutdünken und aus eigener Kraft durchziehen, sondern in Abhängigkeit und unter der Leitung des HERRN. Das sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe!

Die Frage ist: Sind wir kleingläubig oder wagen wir es, alles aus der Hand Gottes zu erwarten und anzunehmen, was Er uns gibt – nicht mehr und nicht weniger?

Vers 9

Versteht ihr noch nicht, erinnert ihr euch auch nicht an die fünf Brote der Fünftausend, und wie viele Handkörbe ihr aufhobt? Mt 16,9

Nun musste der Herr Jesus Seine Jünger an das erinnern, was sie selbst gerade kürzlich erlebt hatten. O, wie schnell vergessen wir! Die Jünger hatten dem Herrn Jesus einmal fünf Brote und zwei Fische in die Hand gegeben und Er hatte damit fünftausend Männer plus Frauen und Kinder gespiesen; zwölf Handkörbe voll Essen waren übrig geblieben. Dieses aussergewöhnliche Wunder ist das einzige oder zumindest eins der ganz wenigen, die in allen vier Evangelien zu finden sind. Im Johannes-Evangelium wird ergänzt, dass das Volk den Herrn Jesus als Reaktion darauf sofort zum König machen wollte. Wie tief beeindruckt müssen alle gewesen sein, die das miterlebt hatten! Und doch hatten sogar die Jünger das alles wenige Zeit später bereits wieder vergessen.

Natürlich hätten sie darüber erzählt, wenn man sie nach den aussergewöhnlichsten Dingen gefragt hätte, die sie mit dem Herrn Jesus erlebt hatten. Aber in einer Situation, wo die Nahrung (durch ihr Versäumnis) knapp war, stellten sie keinen Bezug zu diesem Erlebnis her. Was sie mit dem Herrn Jesus erlebt hatten, hatte für sie keine Alltagsrelevanz. Und das war das entscheidende Problem. Geht es uns nicht oft auch so? Wir anerkennen und bekennen, dass Gott Wunder tun kann und dass Er Wunder tut. Aber das scheint uns alles ganz fern, vielleicht für eine andere Zeit oder für andere Menschen. In unserem Alltag rechnen wir nicht damit. Wenn es uns an Nahrung fehlen würde, würden wir nicht zum HERRN gehen, der so viel Nahrung produzieren kann, wie Er nur will, sondern wir würden selbst versuchen, irgendwie zu mehr Nahrung zu kommen. Und genau damit zeigen wir, dass wir noch nicht gelernt haben, im Alltag in allen Dingen unser Vertrauen voll und ganz auf den HERRN zu setzen.

Vers 10

Auch nicht an die sieben Brote der Viertausend, und wie viele Körbe ihr aufhobt? Mt 16,10

Der Herr Jesus hatte nicht nur einmal, sondern sogar zweimal Nahrung auf wundersame Weise vermehrt. Die Zahl Zwei ist die Zahl des Zeugnisses. Das zeigt sich auch in diesem Zusammenhang hier ganz klar. In der Welt sagt man teilweise: «Einmal ist keinmal». Damit will man ausdrücken, dass man einer Sache, die nur einmal geschehen ist, keine allzu grosse Bedeutung zumessen sollte. Wenn nur ein einziges Mal etwas völlig Aussergewöhnliches geschehen ist, sollte man nicht gleich das ganze Leben auf den Kopf stellen und sich dann nur noch auf eine Wiederholung dieses einmaligen Ereignisses ausrichten. Wenn es bspw. in der Schweiz einmal ein richtig starkes Erdbeben geben würde, wäre das völlig aussergewöhnlich und für sich allein kein ausreichender Grund für eine komplette Umstellung der gesamten Infrastruktur. In Kalifornien sieht es dagegen anders aus, denn dieser Bundesstaat wird regelmässig von schweren Erdbeben heimgesucht, weshalb man damit rechnen und sich darauf einstellen muss.

Der Herr Jesus hat nicht nur einmal, sondern sogar zweimal Nahrung auf wundersame Weise vermehrt. Damit zeigte Er, dass man mit Seiner Versorgung rechnen darf. Er bezeugte mit Nachdruck, dass Er der HERR ist, der alles Lebendige nach Wohlgefallen sättigt; aller Augen warten auf Ihn und Er gibt Speise zu Seiner Zeit (Ps 145,15.16). Das gilt auch in Bezug auf uns. Wir sollen nicht denken, dass Er halt damals an jenem Ort einmal etwas Aussergewöhnliches getan hat, das für uns keine Relevanz hätte. Nein! Er hat bezeugt, dass Er uns versorgen kann und versorgen will! Wir wollen also fest mit Seiner Fürsorge rechnen, auch hier in Westeuropa, weit nach dem Jahr 2000.

Vers 11

Wie, versteht ihr nicht, dass ich nicht von Broten zu euch sprach? Hütet euch aber vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer! Mt 16,11

Der HERR spricht klar und deutlich. Wenn wir Ihn nicht richtig verstehen, liegt das Problem nicht bei Ihm, sondern bei uns. Es kann sein, dass wir in Gedanken woanders sind, wie es die Jünger waren, und deshalb nicht einordnen können, was der HERR sagen will. Es kann aber auch sein, dass wir gar nicht hören wollen, was der HERR sagt, weil es uns nicht passt. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten mussten beispielsweise einräumen, dass der Herr Jesus viele Zeichen getan hat (Joh 11,47), aber doch wollten sie nicht glauben, dass Er ihr Messias war (und ist). Deshalb forderten sie immer noch mehr Zeichen. Und hätte Er noch mehr Zeichen getan, hätten sie trotzdem immer weiter nach mehr Zeichen verlangt. Sie konnten das Sprechen des HERRN nicht verstehen, weil sie nicht wollten.

Nehmen wir doch die sanfte Zurechtweisung des HERRN an! Den Jüngern musste Er nur sagen, dass Er nicht von Broten sprach. Dann konnte Er Seine ursprüngliche Aussage wiederholen und sie verstanden. Bei den Pharisäern und Schriftgelehrten, die sich nicht auf eine solche sanfte Weise zurechtweisen lassen wollten, musste der HERR zu deutlicheren Worten und schliesslich zu schlimmen Ereignissen greifen. Doch selbst nach der Zerstörung des Tempels, der Vertreibung aus dem Land Israel und einer Leidensgeschichte von bald 2000 Jahren wollen die Juden noch nicht hören! Deshalb wird der HERR schon bald noch deutlicher sprechen, und zwar durch die Grosse Drangsal, die schlimmste Zeit, die diese Erde je erlebt hat. Die Heilige Schrift sagt, dass sie dann bereit sein werden zu hören. Und gewiss werden sie sich wünschen, sie hätten schon früher richtig zugehört und sich all dieses Leid erspart!

Uns als Einzelpersonen steht noch eine Wahl offen. Wir können auf die sanfte Zurechtweisung des HERRN hören, weicher Ton in der Hand des Töpfers sein und uns willig formen lassen, oder aber uns sperren und verhärten gegen Sein Sprechen. Dann wird Er uns aber nicht in Ruhe lassen, sondern zu deutlicheren Worten greifen und wenn nötig auch Schläge einsetzen. Die Entscheidung liegt bei uns.

Vers 12

Da verstanden sie, dass er nicht gesagt hatte, sich zu hüten vor dem Sauerteig der Brote, sondern vor der Lehre der Pharisäer und Sadduzäer. Mt 16,12

Sobald die Jünger dem Herrn Jesus richtig zuhörten, konnten sie problemlos verstehen, was Er sagte. Wenn wir also die Stimme Gottes nicht gut verstehen, müssen wir uns von unseren eigenen Vorstellungen und Gedanken lösen und einmal richtig zuhören. Dann wird uns klar werden, was Er sagen will.

Der Sauerteig, vor dem der Herr Jesus Seine Jünger warnen wollte, war die Lehre der Pharisäer und Sadduzäer. Steht Sauerteig in der Bibel stets für eine böse Lehre? Nein, in 1.Kor 5 geht es ebenfalls um Sauerteig, aber dort ist damit ein böses Verhalten gemeint. «Sauerteig» bezeichnet also nicht eine Lehre oder ein Verhalten, sondern ganz allgemein etwas «Böses». Allerdings geht es nicht einfach generell um irgendetwas Böses, sondern vielmehr um einen bösen «Mechanismus».

Sauerteig ist ein Teigstück, das insbesondere von Hefe, Milchsäure und Essigsäure durchsetzt ist. Von entscheidender Bedeutung sind dabei die Hefepilze. Die Hefe wandelt die Stärke im Mehl in Zucker und dann weiter in Alkohol und Kohlendioxid um. Solange genügend Stärke vorhanden ist, vermehrt sich die Hefe immer weiter. Das macht man sich beim Backen zunutze. Man gibt etwas Sauerteig (oder heute: etwas Hefe) in einen Teig aus Mehl, Wasser und Salz, wartet eine bestimmte Zeit und backt den Teig dann aus. Beim Backen wird die Hefe abgetötet. Der Alkohol verdampft, aber die Kohlendioxidgase im Teig bleiben als «Löcher» erhalten. Das Brot wird «luftig» und «locker». Das ist eine gute Sache. Schlecht ist es aber, wenn der Bäcker den Teig vergisst und nicht rechtzeitig in den Ofen schiebt. Dann wird die Hefe nämlich immer unkontrolliert weiter wirken und den Teig schliesslich völlig zersetzen, sodass er zu nichts mehr taugt.

Das Bild vom Sauerteig ist deshalb perfekt geeignet, um etwas Böses zu bezeichnen, das zunächst klein, unscheinbar und harmlos zu wirken beginnt, aber letztlich grossen Schaden anrichtet, wenn es nicht rechtzeitig durch ein entschiedenes Handeln («Hitze») gestoppt wird. Das zeigt uns das Gleichnis in Mt 13,33 so eindrücklich, das prophetisch von der Kirchengeschichte spricht: Zunächst kam nur wenig Sauerteig in eine grosse Menge ungesäuerten Teig, aber weil der Sauerteig nicht gestoppt wurde, hat er letztlich alles durchsäuert. Das sehen wir heute leider nur allzu deutlich, wenn wir uns in der Christenheit umsehen.

Das Bild vom Sauerteig zeigt aber noch etwas: Der Sauerteig bläht den Teig auf. Der Teig erscheint (wegen der «Löcher») grösser, als er eigentlich ist. Ein im perfekten Zeitpunkt gebackenes Brot weist ein viel grösseres Volumen auf als dasselbe Brot, wenn es ohne Hefe gebacken worden wäre. Die Masse ist aber dieselbe. Der Unterschied ist nichts weiter als heisse Luft. Gerade eine Lehre, die als Sauerteig bezeichnet werden muss, führt oft dazu, dass wir uns besser und grösser fühlen können, als wir es eigentlich sind. Darin liegt leider oft auch der Reiz einer solchen bösen Lehre, denn wir alle wollen etwas sein, etwas haben, etwas bringen, weshalb wir nur zu anfällig für alles Aufblähende sind. Mit solcher heisser Luft kann der HERR aber nichts anfangen. Wir sollten deshalb die Finger davon lassen und uns vor bösen Lehren und bösem Verhalten hüten.

Vers 13

Als aber Jesus in die Gegenden von Cäsarea Philippi gekommen war, fragte er seine Jünger und sprach: Was sagen die Menschen, wer der Sohn des Menschen ist? Mt 16,13

Nun beginnt ein neuer Abschnitt, der eine der zentralsten Fragen im Universum überhaupt zum Gegenstand hat, nämlich: Wer ist Jesus Christus? Für die allermeisten Menschen scheint diese Frage nebensächlich und belanglos zu sein, aber da täuschen sie sich! Durch den Herrn Jesus Christus ist alles erschaffen worden und Er ist es auch, der alles am Leben erhält. Er ist der zentrale Gegenstand der Liebe des Vaters in den Himmeln und zugleich die Ausstrahlung Seiner Herrlichkeit und der Abdruck Seines Wesens. Die Frage, wie wir zu Ihm stehen, ist also zugleich auch die Frage, wie wir zu unserem Schöpfer stehen.

Wir werden sehen, dass es bereits damals verschiedene Meinungen und Ansichten über die Person des Herrn Jesus Christus gegeben hat. Aber es geht nicht um allgemeine Ansichten, sondern vielmehr darum, was der Herr Jesus für Dich und mich ganz persönlich ist. Dabei interessiert nicht, wie wir intellektuell über Ihn denken, wie wir Ihn analysieren würden, sondern vielmehr, in welcher Beziehung wir zu Ihm stehen. Für Dein Leben ist die Frage, in welcher Beziehung Du zum Herrn Jesus stehst, die wichtigste Frage überhaupt. Es gibt keine wichtigere Frage.

Vers 14

Sie aber sagten: Einige: Johannes der Täufer; andere aber: Elia; und andere wieder: Jeremia oder einer der Propheten. Mt 16,14

Wie es heute ist, so war es damals schon: Jeder hat irgendeine Meinung darüber, wer Jesus Christus sei, und es scheint fast, als würde auch hier der Spruch passen: «Fünf Menschen, sieben Meinungen». Wie kann das sein? Die Antwort ist einfach: Jeder fällt sich sein eigenes Urteil darüber, wer und wie Jesus Christus ist. Dabei spielt die eigene Prägung und Ansicht die entscheidende Rolle. Anders ausgedrückt projiziert im Grunde jeder von uns seine eigene Einstellung auf den Herrn Jesus. Wir machen Ihn uns so, wie Er uns gefällt.

Einige Menschen lagen damals richtiger als die anderen, aber alle zusammen lagen sie falsch. Einige sahen im Herrn Jesus Elia. Dabei dürften sie an jene alttestamentlichen Stellen gedacht haben, die einen weiteren Propheten wie Elia ankündigen. Diese Meinung war also gar nicht so abwegig. Andere dachten, Er sei Jeremia. Diese Meinung war sehr ähnlich zur ersten, aber schon deutlich falscher, denn ein weiterer Prophet wie Jeremia wird im Alten Testament nirgends angekündigt. Wieder andere dachten, Er sei irgendeiner der Propheten. Sie lagen noch falscher und zeigten zugleich ihre Gleichgültigkeit. Ihre Haltung war: «Das wird schon einer von den Guten sein, aber im Grunde ist es mir egal, welcher es ist». Schliesslich gab es aber sogar solche, die dachten, Er sei Johannes der Täufer. Diese Meinung war nun wirklich absurd, denn Johannes der Täufer und der Herr Jesus hatten eine Zeit lang gleichzeitig öffentlich gewirkt. Wie hätten sie ein und dieselbe Person sein sollen? Hier zeigte sich also am deutlichsten, wie falsch jemand liegt, der sich ein eigenes Bild vom Herrn Jesus macht. Aber falsch lagen sie letztlich alle zusammen gleichermassen. Das Fazit für uns ist: Wenn wir uns unser eigenes Urteil darüber machen, wer Jesus Christus ist, werden wir mit Garantie falsch liegen.

Vers 15

Er spricht zu ihnen: Ihr aber, was sagt ihr, wer ich bin? Mt 16,15

Am einfachsten und am bequemsten für uns Menschen ist es, uns einer weit verbreiteten Meinung anzuschliessen. Das sieht man im Alltag immer wieder. Von der Kleidermode bis hin zu politischen Ansichten kann man die allermeisten Menschen in eine von ganz wenigen Schubladen stecken. Auch wenn man auf der Strasse Menschen fragen würde, wer Jesus Christus sei, würden die meisten Menschen eine von sagen wir fünf Standardantworten geben. Erstaunlich ist, dass nicht selten entschieden eine Meinung vertreten wird, sich bei einer Nachfrage dann aber herausstellt, dass die Person keine Ahnung hat. In einem solchen Fall hat sich die Person eine Mehrheitsmeinung einfach unreflektiert zu ihrer eigenen Meinung gemacht.

In Bezug auf die Person des Herrn Jesus Christus kommt aber im Leben eines jeden Menschen einmal der Moment, wo er für sich selbst Antwort geben muss. «Ihr aber», fragte der Herr Jesus Seine Jünger. Ihn interessierte nicht, was die allgemeinen Meinungen über Ihn waren. Er wollte es persönlich von Seinen Jüngern hören. So wird Er einmal auch Dich fragen: «Du aber, was sagst Du, wer ich bin?» Mit einer allgemeinen Standardantwort wird Er sich dann nicht zufrieden geben. Diese Frage richtet sich nicht in erster Linie an den Verstand, sondern an das Herz. Ich kann Dir jetzt schon sagen, dass Du Dich so sehr anstrengen kannst, wie Du willst – Du wirst diese Frage nicht richtig beantworten können. Du wirst entweder falsch oder völlig falsch liegen. Die folgenden Verse werden das zeigen.

Vers 16

Simon Petrus aber antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Mt 16,16

Petrus preschte einmal mehr vor, wie es seinem natürlichen Charakter entsprach, aber dieses Mal war es nicht einfach eine natürliche Regung, die ihn zum Reden brachte, sondern etwas Tieferes (vgl. V. 17). Sein Herz war ganz offensichtlich erfüllt von der Person des Herrn Jesus und diese Fülle musste nun hervorsprudeln. Er äusserte nicht einfach eine weitere Meinung, wie es die anderen Menschen taten, sondern tat kund, was sein Herz im Innersten erfasst hatte, was ihm ganz persönlich wertvoll geworden war. Und das war allerhand!

Wenn wir an die allermeisten Juden in jener Zeit denken, war es schon aussergewöhnlich von Simon Petrus, zu bezeugen, dass Jesus der Christus (der Messias), der verheissene Priester-König für Israel, die Hoffnung der Nation war. Nur wenige Juden waren nämlich bereit, das zu anerkennen. Doch Petrus war völlig überzeugt, dass Jesus dieser Eine sein musste, auf den die Israeliten schon so lange gewartet hatten. Da gab es nicht den geringsten Zweifel.

Doch damit nicht genug! Petrus nannte den Herrn Jesus auch den Sohn des lebendigen Gottes. Das war nun wirklich etwas Gewaltiges! Viele Stellen im Alten Testament deuten zumindest an, dass der Messias für Israel mehr als das sein muss, dass Er erstens auch der Erlöser für alle anderen Nationen ist und dass Er zweitens nicht nur Mensch, sondern auch Gott ist. Die alten Rabbiner hatten das erkannt und zur Diskussion gestellt. Diese Ansicht war aber rasch wieder verworfen worden. Zur Zeit Jesu war schon längst offiziell anerkannt, dass der Messias ein Mensch und nichts weiter sein muss. Aber Simon Petrus nannte Ihn den Sohn des lebendigen Gottes. Er wusste tief in seinem Herzen, dass mehr vor ihm stand als nur ein Mensch. Er stellte sich mit seinem Bekenntnis gegen alle damals existierenden Meinungen, aber für ihn war klar, mit wem er es zu tun hatte.

Wie wir bereits gesehen haben, liegen letztlich alle falsch, wenn es darum geht, wer Jesus Christus wirklich ist. Jede menschliche Meinung bezüglich Seiner Person ist mehr oder weniger falsch. Wer Er wirklich ist, kann nur jemand wissen, der Ihn persönlich kennt und eine Beziehung zu Ihm pflegt. Unser Verstand kann Seine Person unmöglich völlig erfassen, aber unser Herz kann verstehen, wer Er ist. Die Antwort auf die Frage, wer Jesus Christus für Dich ist, kann Dein Kopf nicht beantworten. Dein Herz muss die Antwort liefern. Doch das Herz in sich selbst ist arglistig, mehr als alles, und verdorben (Jer 17,9). Wie will es je die richtige Antwort liefern? Das verrät uns der folgende Vers.

Vers 17

Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Glückselig bist du, Simon, Bar Jona; denn Fleisch und Blut haben es dir nicht offenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist. Mt 16,17

Simon Petrus, der Sohn (aram. bar) des Jona, hat ein Bekenntnis abgelegt, das die Person des Herrn Jesus Christus völlig erfasste: Jesus ist nicht nur der verheissene Messias (Christus), sondern auch der Sohn des lebendigen Gottes, ja Gott selbst. Wie hat Petrus als erster Mensch überhaupt zu dieser Erkenntnis und zu diesem Bekenntnis gelangen können? Nur durch eine Offenbarung Gottes! Weder der Verstand noch die eigenen Herzensüberlegungen von Petrus hätten ihn je dazu bringen können; nur der Vater in den Himmeln hat es ihm aufdecken (offenbaren) können.

Im Grunde gibt es zwei unterschiedliche Wege, etwas über Gott zu erfahren, nämlich den Weg von unten nach oben und den Weg von oben nach unten. Für gewöhnlich gehen wir Menschen den Weg von unten nach oben. Das bedeutet, dass wir anhand unserer eigenen Wahrnehmung und anhand unseres eigenen Verstandes (manchmal auch unseres Gefühls) versuchen, so viel wie möglich über Gott herauszufinden. Die Naturwissenschaft ist ein solcher Weg: Man beobachtet die Vorgänge in der Natur und versucht, daraus Rückschlüsse zu ziehen. Gemäss Röm 1,19.20 kann so durchaus etwas über Gott in Erfahrung gebracht werden. Auch das Gewissen kann uns etwas über Gott respektive Gottes Moral verraten (vgl. Röm 2,15). Die bisherige Menschheitsgeschichte bietet weiteres Material, mit dem wir arbeiten können. Aber all diese Möglichkeiten haben enge Grenzen. Zudem müssen wir mit unseren eigenen arg begrenzten Fähigkeiten arbeiten und schliesslich muss berücksichtigt werden, dass wir durch die in uns wohnende Sünde eine Schieflage aufweisen, die uns praktisch in Bezug auf alles Denkbare zu einem verzerrten Urteil führen wird. Der Weg von unten nach oben wird uns nie ein auch nur annähernd zuverlässiges Bild von Gottes Wesen liefern.

Da gibt es aber noch den Weg von oben nach unten: Gott kann sich uns mitteilen. Er kann uns direkt etwas über Sich sagen. Diesen Vorgang nennen wir Offenbarung. Dieser Weg ist dem andern augenscheinlich weitaus überlegen, denn Gott weiss natürlich ganz genau, wer und wie Er ist. Er weiss auch, welche Informationen Er uns auf welche Weise geben muss, damit wir zu einem richtigen Urteil bezüglich Seiner Person kommen. Auch wenn die Bibel alles andere als wissenschaftsfeindlich ist, zeigt sie doch deutlich auf, dass der Weg von oben nach unten bessere Erkenntnisse als der Weg von unten nach oben verschafft.

Wie kommt man nun in den Genuss einer solchen Offenbarung? Muss man auf den sprichwörtlichen Brief vom Himmel warten? Ja! Doch Gott sei Dank, dieser Brief ist längst geschrieben und für jeden Menschen frei zugänglich! Wir nennen ihn die Bibel. Sie ist Gottes abschliessende Offenbarung an uns Menschen. Zur Zeit Jesu war sie noch nicht fertiggestellt; sie war noch im Entstehen begriffen, weshalb Gott damals noch direkt allgemeingültige Offenbarungen an einzelne Menschen weitergab. Petrus durfte eine solche Offenbarung empfangen und Matthäus durfte sie durch die Leitung des Heiligen Geistes festhalten. So hat diese ungemein wichtige Wahrheit über die Person Jesu Christi Eingang in die Bibel gefunden, wo sie nun für uns alle frei zugänglich zu finden ist.

Für unser eigenes Leben bedeutet das, dass wir unser Wissen über Gott aus der Bibel schöpfen sollen. Durch sie spricht der HERR zu uns über Sich. Du kannst Dir Deinen eigenen Gott machen, der Deinen eigenen Vorstellungen entspricht und so ist, wie Du Ihn gerne hättest, aber wenn Du den allein wahren Gott kennenlernen willst, musst Du Ihn zu Wort kommen lassen und die Bibel studieren.

Vers 18

Aber auch ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen. Mt 16,18

Die Offenbarung, die Petrus empfangen und ausgesprochen hatte, ist geradezu bahnbrechend und zudem grundlegend für die Gemeinde (Versammlung, Kirche, griechisch: ekklesia), die hier zum ersten Mal erwähnt wird. Natürlich ist nicht Petrus (griechisch: petros = der Stein) jener Fels (griechisch: petra = der Fels), auf den der Herr Jesus die Gemeinde bauen wollte, sondern eben jene Offenbarung in Mt 16,16, die den einzigen Gegenstand in der Heiligen Schrift betrifft, der mit einem Felsen symbolisiert wird, nämlich Gott selbst (5.Mose 32,4) respektive den Sohn des lebendigen Gottes, das ist Jesus Christus (1.Kor 10,4). Die neutestamentlichen Lehrbriefe machen völlig klar, dass die Gemeinde eins ist mit Christus, ja, dass «das Geheimnis des Christus» (Eph 3,4–6) gerade darin besteht, dass der Herr Jesus, die seit Pfingsten zum Glauben gekommenen Juden, aber auch die seit Pfingsten zum Glauben gekommenen Menschen aus den anderen Nationen zusammen eins sind, einen einzigen Leib bilden. Das griechische Wort ekklesia beschreibt das perfekt, denn es bedeutet «die Herausgerufene». Wir werden aus den Juden und aus den Nationen herausgerufen, um Teil dieses einen Leibes zu werden (vgl. Apg 26,17).

Der Messias kann nicht die Grundlage für die christliche Gemeinde sein, denn Er ist der zukünftige Priester-König für Israel und für diese Erde. Die christliche Gemeinde ist dagegen durch und durch himmlischer Art und sie kann ihre Grundlage nur in Gott selbst haben. Ihr Fundament muss also der Sohn des lebendigen Gottes sein. So, wie Eva nicht aus einem neuen Lehmklumpen, sondern vollständig aus Adam gebildet worden ist, so wird die Gemeinde vollständig aus dem Sohn des lebendigen Gottes gebildet (vgl. auch Eph 5,31.32). Hätte Petrus den Herrn Jesus «nur» als Christus bezeichnet, hätte der HERR quasi nicht von der Gemeinde sprechen können. Da Petrus Ihn aber als den Sohn Gottes bekannt hatte, konnte das Geheimnis der christlichen Gemeinde teilweise enthüllt werden.

Beachten wir, dass der Herr Jesus damals von der Gemeinde als etwas Zukünftigem gesprochen hat: «werde ich bauen». Sie existierte damals noch nicht, denn sie wurde erst an Pfingsten gebildet. Seither heisst es: «der ganze Bau wächst» (Eph 2,21). Mit der Entrückung wird der Bau abgeschlossen werden. In dieser langen Zeit zwischen Pfingsten und der Entrückung ist die Gemeinde das Hauptangriffsziel des Satans, denn sie ist jetzt Gottes hervorragendstes Zeugnis für diese Erde. Die vom Teufel angestachelte Verfolgung geht «bis aufs Blut» (Hebr 12,4), was unzählige traurige und schockierende Berichte aus der Kirchengeschichte belegen. Doch wir haben die Verheissung, dass selbst die Pforten des Totenreiches (griechisch: hades) die Gemeinde nicht überwältigen werden. Der Teufel wird niemals so viele Christen töten können, dass die Gemeinde zu einem vorzeitigen Ende kommen wird. Sie wird Bestand haben bis zur Entrückung!

Vers 19

Ich werde dir die Schlüssel des Reiches der Himmel geben; und was immer du auf der Erde binden wirst, wird in den Himmeln gebunden sein, und was immer du auf der Erde lösen wirst, wird in den Himmeln gelöst sein. Mt 16,19

Petrus erhielt nun vom Herrn Jesus eine ganz besondere Aufgabe. Ihm wurden die Schlüssel des Königreichs der Himmel anvertraut. Damit wir verstehen, was damit gemeint ist, müssen wir nochmals kurz die Bedeutung einiger Begrifflichkeiten repetieren: Das Königreich der Himmel ist das irdische Reich, das die Israeliten erwartet haben, also jene Zeit, in der ihr Messias über Israel und über die ganze Erde herrschen wird. Dieses Reich wird gekommen respektive erfüllt sein während des sogenannt Tausendjährigen Reiches. Man kann aber auch sagen, dass dies nur eine von mehreren Phasen sei. Dieses Reich war schon vor Jahrhunderten angekündigt worden (erste Phase). Dann war der Messias gekommen – Jesus, der Christus. Dadurch war das Reich nahe gekommen, denn der Priester-König war da und Er hätte die Herrschaft antreten können, wenn das Volk bereit gewesen wäre (zweite Phase). Aber Er wurde verworfen und die Erfüllung der Prophetie musste aufgeschoben werden. Insbesondere in Mt 13 erfahren wir, dass eine dritte, im Alten Testament nicht angekündigte Phase folgen sollte, nämlich die Aufrichtung des Königreichs im Verborgenen und in Abwesenheit des Königs. Auf der Erde sollte ein Gebilde entstehen, das quasi der Staat des Königs sein sollte, obwohl der König nicht auf der Erde, sondern im Himmel sein würde. Das ist die Zeit der Christenheit. Für das richtige Verständnis elementar wichtig ist zu verstehen, dass das Königreich der Himmel nicht die Gemeinde (ekklesia) ist! Die Gemeinde ist himmlischer Natur und sie funktioniert nicht wie ein Staatsgebilde mit einem König und einem Volk, sondern sie ist ein organisch-familiäres Gebilde, das von innigsten und herzlichsten Beziehungen geprägt und seinem Wesen nach komplett himmlisch und göttlich ist. Zur ekklesia gehören nur wiedergeborene Gläubige aus der Zeit zwischen Pfingsten und der Entrückung. In einer idealen Welt würde das Königreich der Himmel genau denselben Personenkreis umfassen, denn es liegt auf der Hand, dass jeder echte Christ im Gehorsam gegenüber Gott leben will, wie wenn Er bereits über diese Erde herrschen würde. Aber wir leben nicht in einer idealen Welt. Es gibt zahlreiche (aktuell rund zwei Milliarden!) Menschen, die sich aus völlig unterschiedlichen Gründen auch zu «Staatsbürgern» des Königreichs der Himmel erklären und von sich sagen, sie seien Christen. Diese Menschen gehören allesamt zum Königreich der Himmel, denn der HERR nimmt unser Bekenntnis ernst. Aber sie gehören nicht unbedingt zur ekklesia, sondern nur dann, wenn sie das neue Leben aus Gott erhalten haben. Die ekklesia hat also eher mit unserer ewigen, himmlischen Berufung zu tun und das Königreich der Himmel eher mit der Verwaltung auf der Erde.

In der aktuellen Zwischenphase, die damals schon begonnen hat, ist das «Bürgerrecht» des Königreichs der Himmel modifiziert worden. Vorher und nachher konnten und können nur Israeliten «Bürger» des Königreichs der Himmel sein. Wer dazu gehören will, muss ein Israelit werden, wie es z.B. bei Ruth, der Moabiterin, oder bei Rahab, der Kanaanitern, der Fall gewesen ist. Aber in der aktuellen Zwischenphase kann jeder Angehörige aus jeder Nation dazu kommen. Dafür musste eine Tür aufgeschlossen werden, die damals noch verschlossen war. Aber auch die Juden mussten umdenken. Sie konnten jetzt nicht als Juden in das Königreich der Himmel eingehen, denn Israel wird in dieser Phase von Gott nicht als Sein Volk anerkannt werden. Israeliten gehören also jetzt nicht «automatisch» kraft ihrer Abstammung zum Königreich der Himmel. Sie müssen sich wie alle anderen auch «einbürgern» lassen, indem sie anerkennen, dass Jesus der Messias ist. Auch für die Israeliten musste also eine Tür aufgeschlossen werden.

Petrus erhielt die Schlüssel zum Aufschliessen dieser Türen. Die Apostelgeschichte berichtet darüber, dass er seine Aufgabe als Schlüsselmeister erfüllt hat: Zuerst hat er den Juden die Tür aufgeschlossen (sog. Pfingstpredigt; vgl. Apg 2,14 ff., insb. V. 41); später hat er den übrigen Nationen die Tür aufgeschlossen (vgl. Apg 10,25 ff., insb. V. 44.45). Auch bei den Samaritern, einem Mischvolk («Zwischending»), spielte er eine entscheidende Rolle (Apg 8,14–17).

Was mit «Binden» und «Lösen» gemeint ist, werden wir später noch sehen.

Vers 20

Dann gebot er den Jüngern, dass sie niemand sagten, dass er der Christus sei. Mt 16,20

Die Jünger hatten gerade eine der grossartigsten und tiefsten Offenbarungen überhaupt erhalten, nämlich darüber, dass Jesus nicht nur der Christus (Messias), sondern auch der Sohn des lebendigen Gottes ist und dass Er auf der Grundlage dieser Wahrheit etwas komplett Neues erbauen werde, nämlich die ekklesia. Das Naheliegendste wäre es nun gewesen, diese herrliche Wahrheit überall zu verkündigen. Doch der HERR gebot den Jüngern, nicht einmal jemandem zu sagen, dass Er der Christus sei! Wie können wir uns das erklären?

Die Antwort ist einfach: Der HERR lässt sich nicht – in aller Ehrfurcht ausgedrückt – zum «Hampelmann» machen. Seine Gnade ist unendlich, Seine Langmut und Geduld unvergleichlich, Seine Güte einzigartig, aber wer partout nichts davon wissen will, für den ist es irgendwann zu spät. Israel wird einmal ausrufen: «Vorüber ist die Ernte, die Obstlese ist zu Ende, und wir sind nicht gerettet!» (Jer 8,20). Das will sagen, dass das Volk erkennen wird, definitiv etwas verpasst zu haben. Die Ernte wurde eingefahren, das Obst wurde gelesen, aber die Israeliten sind zurückgeblieben. Sie haben den Zug verpasst, es wird zu spät sein. Zur Zeit, als der Herr Jesus hier auf der Erde war, hat das Volk Ihn mehrfach entschieden abgelehnt. Hätte Er ihnen weiter hinterher rennen und «bitti-bätti» machen (d.h. um ihre Gunst betteln) sollen? Sicher nicht! Jeder Einzelne von ihnen hätte erkennen können, dass Er der Christus ist. Wer das trotz der offenkundigen Beweise nicht glauben wollte, dem musste diese Wahrheit nicht erneut hinterher getragen werden.

Vers 21

Von da an begann Jesus seinen Jüngern zu zeigen, dass er nach Jerusalem hingehen müsse und von den Ältesten und Hohen Priestern und Schriftgelehrten vieles leiden und getötet und am dritten Tag auferweckt werden müsse. Mt 16,21

Als Juden der damaligen Zeit erwarteten die Jünger, dass Jesus sich in Kürze als der Messias (Christus) Israels offenbaren und dann die Herrschaft über Israel und schliesslich über die ganze Erde antreten werde. Zwar sprechen verschiedene Passagen des Alten Testamentes von Leiden, die der Messias durchleben muss, aber was damit gemeint ist, ist erst im Lichte des Neuen Testamentes wirklich klar. Ohne das Neue Testament sind diese Passagen nur schwer einzuordnen, was erklärt, weshalb die Juden (bis heute) glauben, der Messias werde einmal kommen und dann direkt die Herrschaft antreten.

Der Herr Jesus wollte Seine Jünger allerdings vor diesem Irrtum bewahren. Sie mussten gewarnt werden, um später nicht den Glauben, den Mut und die Hoffnung zu verlieren. Deshalb begann der Herr Jesus nun, Seine Jünger vorzuwarnen und damit auf das vorzubereiten, was (für sie völlig unerwartet) bald geschehen musste. Wir haben hier die erste von mehreren Leidensankündigungen vor uns. Es blieb nicht dabei; der HERR hat die Jünger mehrfach gewarnt. Auch uns lässt Er nicht ungewarnt «ins Messer» rennen. Er bereitet uns jeweils sorgfältig auf die Prüfungen und Schwierigkeiten vor, die wir durchleben müssen, damit wir den Mut und die Kraft haben, darin zu bestehen. Vielleicht ist es uns jeweils nicht sofort klar. Auch die Jünger verstanden die Ankündigungen des Herrn Jesus ganz offensichtlich nicht, wie wir noch sehen werden. Aber irgendwann hat es ihnen gedämmert und wird es und dämmern, dass wir ja bestens vorbereitet worden sind. So ist der HERR! Er ist ständig besorgt für uns!

Vers 22

Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihn zu tadeln, indem er sagte: Gott behüte dich, Herr! Dies wird dir keinesfalls widerfahren. Mt 16,22

Petrus war wieder der Erste, der auf das Wort des Herrn Jesus reagierte – nur dieses Mal nicht gedrängt durch eine Offenbarung Gottes, sondern durch seinen Eigenwillen. Hier hätte er besser geschwiegen oder sich zumindest zuerst nochmals überlegt, was er sagen wollte. Doch für uns ist sein vorschnelles Handeln von Vorteil, denn die damit verbundenen Belehrungen des HERRN sind sehr wertvoll.

Der Mensch liegt in seinem Urteil über sich selbst, über Gott und über die Welt ganz grundsätzlich falsch. Von Natur aus kennt der Mensch weder Gott noch sich selbst wirklich. Durch die Offenbarung Gottes kann er aber zu einem richtigen Urteil sowohl über Gott als auch über sich selbst kommen. Wer von ganzem Herzen zu Gott umgekehrt ist, seine Sünden erkannt und bekannt hat, den HERRN um Vergebung gebeten und sein Vertrauen auf das stellvertretende Opfer Jesu Christi am Kreuz gesetzt hat, erhält neues, göttliches Leben sowie den Heiligen Geist, der in ihm Wohnung nimmt. Jeder echte Christ hat den Heiligen Geist in sich wohnend! Der Heilige Geist kann uns, vor allem durch das Wort Gottes, belehren und uns zeigen, wer wir wirklich sind und wer Gott ist. Doch unsere alte Natur verschwindet nicht; sie lebt in uns weiter. Sie bessert sich auch nicht mit der Zeit, sondern sie bleibt unveränderlich schlecht und böse. Deshalb handeln echte Christen teilweise fast schon schizophren, denn während jede Regung des Geistes, der neuen Natur absolut gut ist, sind sie genauso fähig, ihre alte Natur sich regen zu lassen und Böses, ja sogar Schockierendes zu tun. Echte Christen leiden auch an einem fortwährenden inneren Kampf: «Denn das Fleisch (die alte Natur) begehrt gegen den Geist (die neue Natur) auf, der Geit aber gegen das Fleisch; denn diese sind einander entgegengesetzt» (Gal 5,17).

Petrus zeigt das exemplarisch: Durch eine Offenbarung Gottes konnte er eine absolut grossartige Aussage machen; im Eigendünkel äusserte er wenige Minuten später eine Torheit. Nur weil er einmal den Nagel zielsicher auf den Kopf getroffen hat, lag er nicht immer richtig. Er lag aber auch nicht immer falsch. Bei uns ist es genau gleich. Wir können eine grosse Hilfe und ein Segen für unser Umfeld sein, wenn wir uns vom Geist leiten lassen, aber wir können zu anderen Zeiten genauso gut eine Belastung und ein Dorn im Fleisch unserer Nächsten sein, wenn wir nämlich das Fleisch walten lassen.

Petrus konnte sich nicht vorstellen, dass der Herr Jesus leiden und sterben sollte. Das passte nicht zu seiner jüdischen Sicht der Dinge. Natürlich liebte er auch den Herrn Jesus, weshalb er keinesfalls wollte, dass Ihm Schlechtes widerfahre. Aber hier äusserte er nur seinen eigenen persönlichen Wunsch, geprägt von seiner eigenen (falschen) Anschauung. Das war seine Torheit.

Vers 23

Er aber wandte sich um und sprach zu Petrus: Geh hinter mich, Satan! Du bist mir ein Anstoss, denn du sinnst nicht auf das, was Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist. Mt 16,23

Ein hartes Wort! Petrus hatte sich kurz zuvor vom HERRN als Sprachrohr nutzen lassen, um eine Offenbarung Gottes weiterzugeben, aber nun liess er sich vom Teufel missbrauchen, um den Herrn Jesus von Seinem Ihm vorbestimmten Weg abzubringen. So schnell kann es gehen! Der Herr Jesus hat Petrus nicht als Satan bezeichnet, weil Petrus selbst ein Satan (Widersacher) gewesen wäre, sondern weil er den Satan durch sich hatte sprechen lassen. Deshalb sagte der Herr Jesus auch nicht etwa, Petrus solle von Ihm weg gehen, sondern vielmehr: «Geh hinter mich», was bedeutet: «Stell Dich mir nicht weiter in den Weg, den ich gehen muss». Darin liegt ein Trost auch für uns, denn manchmal lassen auch wir uns leider vom Teufel dazu missbrauchen, verkehrte Dinge zu sagen. Die Folge davon ist nicht, dass der HERR uns von Sich entfernen würde. Nein, Er weist uns zurecht, will das Verkehrte korrigieren und uns so den Zugang zurück in Seine Gegenwart ermöglichen! So gnädig ist Er!

Der Fehler von Petrus war, dass er seine eigene Meinung und seinen eigenen Wunsch über den Willen Gottes gestellt hatte. Wir können seine Worte gut nachvollziehen, denn wer kann schon wollen, dass ein geliebter Mensch unsäglich leiden und sterben muss? Und doch war das der Wille Gottes für den Herrn Jesus, auch wenn Petrus es damals noch nicht verstehen und schon gar nicht gutheissen konnte. Alles in ihm sträubte sich dagegen, aber doch hätte er den Willen Gottes über seinen eigenen Willen stellen müssen. Das gilt auch für uns. Unser Leben verläuft nicht immer so, wie wir es uns vorgestellt oder gewünscht haben. Aber der Wille Gottes zielt immer auf das Beste für uns ab, selbst wenn wir es im Moment (noch) nicht verstehen. Wenn unser Wille in einer bestimmten Situation auf etwas anderes als Sein Wille abzielt, tun wir gut daran, Seinen Willen über unseren Willen zu stellen.

Vers 24

Dann sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn jemand mir nachkommen will, verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach! Mt 16,24

Jemand hat einmal gesagt, dass der HERR den Mist, den wir produzieren, als Dünger zu nutzen weiss. Tatsächlich ist es immer wieder erstaunlich, wie der HERR falsche Entscheidungen von Menschen dazu «missbraucht» hat, etwas Herrliches daraus entstehen zu lassen, das Seine Ehre nicht etwa schmälert, sondern sogar erhöht. Das kann nur Er!

So hat der Herr Jesus auch den falschen Einwand von Petrus als «Aufhänger» benutzen können, um Seinen Jüngern und auch uns eine wichtige Belehrung zu vermitteln: Wer Ihm nachfolgen will, muss nicht nur den Weg Gottes in Bezug auf den Herrn Jesus, sondern auch den Weg Gottes in Bezug auf sein eigenes Leben vollumfänglich bejahen, sich selbst verleugnen und sein Kreuz auf sich nehmen.

In diesem Zusammenhang geht es nicht um die Gotteskindschaft, sondern um Jüngerschaft. «Jünger» bedeutet ganz einfach «Schüler», allerdings nicht in dem Sinn, wie wir heute «Schule» verstehen. Lehrer und Schüler begegneten sich damals nicht bloss in der Schule, wo theoretisches Wissen vermittelt wurde. Sie bildeten vielmehr eine Art befristete Lebensgemeinschaft. Die Schüler sollten am Leben des Lehrers teilnehmen und dadurch direkt von Ihm lernen, nicht nur durch Worte, sondern auch durch sein Verhalten. Natürlich sollte jedes echte Kind Gottes auch ein solcher Schüler sein. Doch wir durchlaufen im Geistlichen alle eine Entwicklung, die unserer natürlichen Entwicklung ähnelt. Wir sind zuerst Neugeborene, dann Kleinkinder, Kinder, Jünglinge, Erwachsene und schliesslich Ältere. In der ersten Zeit nach unserer Bekehrung können wir noch gar nicht richtige Jünger im Sinne der Heiligen Schrift sein. Wir sollten es aber bald werden! Schliesslich schicken wir unsere Kinder ja auch schon im jungen Alter in die Schule.

Leider gibt es Kinder Gottes, die nie wirklich zu Jüngern werden, und auch solche, die sich aus der Jüngerschaft wieder «ausklinken». In beiden Fällen bleiben sie natürlich echte Kinder Gottes, aber sie zeigen mit ihrem Verhalten, dass ihre geistliche Entwicklung krankhaft ist und dass ihr geistliches Leben an einem ernsthaften Problem leidet. Wenn jemand schon länger ein Kind Gottes, aber noch nicht oder nicht mehr ein Jünger ist, muss man sich grosse Sorgen machen.

Der Punkt ist allerdings, dass man nicht so leicht ein Jünger wie ein Kind Gottes sein kann. Um ein Kind Gottes zu werden, braucht es nichts mehr als Sündenerkenntnis, die Bitte um Vergebung und das Vertrauen auf das stellvertretende Opfer Jesu Christi. Das sind absolute Minimalanforderungen, denn die ewige Errettung muss ein Werk der Gnade Gottes sein. Um ein Jünger zu sein, muss man allerdings sich selbst verleugnen, sein Kreuz auf sich nehmen und dem Herrn Jesus nachfolgen. Diese Anforderungen sind wesentlich höher.

Sich selbst verleugnen bedeutet nichts mehr, aber auch nichts weniger, als dass man den Willen Gottes für sein Leben über seinen eigenen Willen stellt. Es geht nicht darum, dass «ich» nichts mehr sein darf, dass «ich» nicht mehr existieren darf! Das ist etwas, das der Hinduismus bzw. der Buddhismus lehrt, aber nicht das Wort Gottes. Was gemeint ist, wird vielleicht etwas klarer, wenn wir an Situationen denken, in denen wir andere Leute verleugnet haben, denn das tun wir alle zusammen immer wieder einmal: Man ist unterwegs in der Stadt und sieht von Weitem eine Person, die man kennt, aber nicht mag. Diese Person hat uns noch nicht bemerkt. Wir wenden uns rasch ab und bewegen uns von ihr weg, um ja nicht in ein Gespräch mit ihr verwickelt zu werden. Wenn sie uns doch entdeckt und uns nachruft, tun wir vielleicht sogar so, als wären wir gar nicht wir; wir ignorieren die Rufe, als gälten sie nicht uns, und verschwinden so rasch als möglich. So verleugnen wir diese andere Person. Uns selbst verleugnen wir, wenn unser Ich in einer bestimmten Situation unbedingt etwas von uns haben will und uns das zuruft. Wir stehen dann im Konflikt: Sollen wir diesen Rufen nachgeben oder dem Wort Gottes gehorchen? Richtig handeln wir, wenn wir so tun, als würden wir die Rufe unseres Ichs nicht hören, als würden wir es nicht kennen, als hätte es keine Ansprüche zu erheben, damit wir die innere Freiheit haben, Gottes Willen über unseren eigenen Willen zu stellen. Nur wer das gelernt hat und anwenden kann, kann ein Jünger des HERRN sein. Wer im Eigenwillen lebt, taugt nicht als Jünger.

Das Kreuz auf sich zu nehmen geht noch einen Schritt weiter. Damals, als Menschen noch gekreuzigt wurden (eine grausame, barbarische Hinrichtungsart!), waren die senkrechten Pfähle an den Hinrichtungsstätten fest im Boden verankert. Die Verurteilten mussten aber die Querbälken jeweils selbst dorthin tragen; das gehörte zur Bestrafung dazu. Am Hinrichtungsort wurden die beiden Bälken miteinander verbunden und die Verurteilten daran angebunden oder angenagelt. Wenn also jemand das Kreuz auf sich nehmen musste, dann war für alle klar erkennbar: Dieser Mensch ist zum Tod verurteilt und schon so gut wie tot. Ein Mensch, der sein Kreuz durch die Strassen trug, wurde nicht mehr zum Essen eingeladen. Das Kreuz zeigte, dass dieser Mensch mit der Gesellschaft nichts mehr zu schaffen hatte und die Gesellschaft nichts mehr mit ihm. Das Kreuz trennte den Menschen und die Welt voneinander. Das wird uns in Gal 6,14 als ein (wichtiger) Grundsatz vorgestellt: «Mir aber sei es fern, mich zu rühmen als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt». Ein Jünger des Herrn Jesus, der sein Kreuz auf sich nimmt, löst sich innerlich von allem, was ihn an diese Welt binden könnte. Er löst sich von den Vergnügungen der Welt, von seinen Begierden, von seinen Karriereplänen, von Reichtum etc. Das bedeutet natürlich nicht, dass er als Einsiedler in die Wildnis zieht! Auch ein Jünger des HERRN kann Karriere machen, reich sein und verschiedene Dinge geniessen, die der HERR ihn in dieser Welt geniessen lässt. Aber er ist innerlich völlig losgelöst von all dem. Er hängt nicht daran. Für einen Jünger des HERRN ist es einerlei, ob er reich oder arm ist, denn er hat gelernt: Hat er Christum, hat er alles, und hat er Christum nicht, hat er nichts. Die Welt hat in seinem Herzen keinen Platz.

Nur, wer sich selbst verleugnet und sein Kreuz auf sich nimmt, kann dem Herrn Jesus auch wirklich nachfolgen. Denn dem Herrn Jesus nachzufolgen, bedeutet, in Seinen Fussstapfen zu wandeln, Seinen Weg zu gehen. Dieser Weg führte durch Leiden zur Herrlichkeit. Es war ein einsamer und beschwerlicher Weg. Aber doch war der Herr Jesus mit Abstand der glücklichste Mensch, der je über das Angesicht dieser Erde gewandelt ist! Wir können auf diesem Weg hier und jetzt schon wahres Glück, wahren Frieden und wahre Freiheit erfahren, aber wir werden diesen Weg nicht gehen können, wenn die Welt einen festen Platz in unserem Herzen hat und wenn wir uns selbst nicht verleugnen.

Vers 25

Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden. Mt 16,25

Hier haben wir nun ein wichtiges geistliches Prinzip vor uns, das allerdings aufgrund einer Doppeldeutigkeit der Sprache nicht ganz leicht zu verstehen ist. Das griechische Wort «psyche» bedeutet (wie das hebräische Wort «nephesh») Leben oder Seele, dann in einem weiteren Sinn aber auch alles, wonach unsere Seele verlangt oder was wir zum Leben brauchen. Im Grunde gibt es zwei Arten, wie wir als Menschen unser Leben führen können: Entweder setzen wir unsere eigenen Bedürfnisse, unseren eigenen Willen an die oberste Stelle oder aber wir geben uns dem HERRN hin. Entweder sagen wir: «Mein Wille geschehe!» oder aber: «Dein Wille geschehe!» Nun ist es ja nicht so, dass der Wille des HERRN für uns beständig unseren eigenen Bedürfnissen und Wünschen entgegen stehen würde. Oft lässt sich beides wunderbar miteinander vereinbaren. Aber es gibt immer wieder Momente im Leben, wo nur das Eine oder das Andere möglich ist. Da müssen wir uns entscheiden.

Natürlich liegt es uns nahe, zuerst für uns selbst zu sorgen. Wir meinen, wir müssten den Willen Gottes ignorieren, um uns selbst zu schützen. Hier warnt uns der Herr Jesus aber ganz klar davor, dass das ein Trugschluss ist! Wer so handelt, der koppelt sich quasi von der Quelle des wahren Lebens (von all dem, was wir wirklich brauchen) ab und wird seine Entscheidung am Ende bitter bereuen. Wer dagegen dem HERRN bedingungslos vertraut und Seinen Willen beachtet, selbst wenn es schwer fällt oder wenn er es nicht versteht, der wird am Ende feststellen, dass das genau die richtige Entscheidung gewesen ist.

Die wahre christliche Freiheit besteht darin, dass wir gelernt haben, uns innerlich von allem zu lösen, von nichts abhängig zu sein, sogar die tiefsten Sehnsüchte unserer Seele nötigenfalls zu ignorieren und uns zu hundert Prozent vom HERRN führen zu lassen. Wer das gelernt hat, ist nicht mehr von seinen Umständen abhängig, braucht nichts zum Leben ausser den HERRN und hat wahren Frieden, wahres Glück gefunden. Das ist die Erfahrung, von der der Apostel Paulus in Phil 4 schreibt. Das ist kein trauriges Leben mit einer vagen Aussicht auf was Besseres im Jenseits, sondern das glücklichste, freiste Leben, das ein Mensch hier auf dieser Erde nur führen kann.

Ja, es klingt paradox, aber je mehr wir uns von unserem Seelen-Leben lösen, umso erfüllter wird das Leben sein, das wir hier führen! Das ist eine sehr tiefe, aber auch sehr wichtige Wahrheit für unseren Wandel als Christen.

Vers 26

Denn was wird es einem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt gewönne, aber sein Leben einbüsste? Oder was wird ein Mensch als Lösegeld geben für sein Leben? Mt 16,26

Heute sagt man, dass sowohl das Universum als auch wir Menschen ein Produkt eines blinden Zufalls seien, ohne Sinn und ohne Bedeutung. Es spiele keine Rolle, ob es Dich gebe oder nicht, denn Du seist nur ein Zufallsprodukt – ungeplant und ungewollt, einfach da. Wo wir auch hinschauen, sehen wir die Konsequenzen dieses Denkens. Ein menschliches Leben hat keinen hohen Wert, wenn überhaupt. Wir müssen uns durch Leistung definieren, weil man uns sagt, dass wir in uns selbst keinen Wert hätten.

Wie ganz anders sieht es der HERR! Wer die ganze Welt gewinnt, aber sein eigenes Leben verliert, hat in den Augen Gottes einen Netto-Verlust eingefahren. Das bedeutet, dass ein einzelnes Leben in den Augen des HERRN mehr Wert als alle Schätze der ganzen Welt hat. Für Gott gibt es nichts Wertvolleres als das menschliche Leben, als die menschliche Seele, als mich und Dich! Wir sind kostbar und teuer in Seinen Augen, mehr wertgeachtet als Silber, Gold und Edelsteine.

Doch die Medaille hat eine ernste Kehrseite. Wenn es nichts Wertvolleres als Deine Seele gibt, wie willst Du sie auslösen? Was willst Du geben, um Deine Seele zu retten? Was kannst Du überhaupt geben? Du könntest alle Schätze der ganzen Welt geben und es würde doch nicht reichen. Man kann sich sein ewiges Seelenheil also weder erkaufen noch verdienen. Hierin liegen alle Religionen der Welt falsch, denn sie gaukeln uns vor, dass wir unser Seelenheil mit eigenen Bemühungen erlangen könnten. Das Seelenheil kann nur von jemandem erkauft und erlöst werden, der mehr als alle Schätze der ganzen Welt zahlen kann – nur von Gott selbst. Und Er hat diesen Kaufpreis bezahlt! Am Kreuz von Golgatha hat Er den unermesslich hohen Preis zur Erlösung unserer Seelen bezahlt. Sein Werk reicht als Lösegeld für jede Seele eines jeden Menschen, der je gelebt hat. Ihm sei Lob und Dank! Jetzt reicht der HERR jedem Menschen das ewige Seelenheil als unverdientes Geschenk dar, aber wirksam wird diese Schenkung nur, wenn sie angenommen wird.

Verschwenden wir also nicht länger unsere Zeit, um uns in die Dinge dieser Welt zu investieren, sondern trachten wir danach, das ewige Seelenheil zu erlangen! Dazu müssen wir nichts weiter tun, als zuzugeben, dass wir selbst es nicht verdient haben, ja, dass wir im Grunde sogar alles Mögliche gemacht haben, um es uns zu verspielen. Und dann müssen wir unser Vertrauen allein auf Gott setzen, der es uns durch den Herrn Jesus Christus unverdient schenken will.

Vers 27

Denn der Sohn des Menschen wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln, und dann wird er einem jeden vergelten nach seinem Tun. Mt 16,27

Der entscheidende Faktor in der Rechnung des Lebens, die jeder Mensch für sich machen sollte, wird leider sehr oft vergessen: Einmal wird der Tag kommen, an dem sich jeder einzelne Mensch vor seinem Schöpfer wird verantworten müssen. Vor einigen Jahren war es «trendy», immer dann, wenn man etwas tat, ohne auf die Konsequenzen zu achten, zu sagen: «yolo» – «you only live once» («Man lebt nur einmal»). Jemand hat einmal die perfekte Ergänzung dazu gefunden: «and after that comes judgment» («Und danach kommt das Gericht»; vgl. Hebr 9,27).

Es ist wahr: Man lebt nur einmal. Man hat nicht mehrere Anläufe, man hat nicht mehrere Versuche, sondern nur genau ein Leben. Die meisten Menschen reagieren darauf im Sinne von 1.Kor 15,32: «Lasst und essen und trinken, denn morgen sterben wir». Sie wollen so viel wie nur möglich aus diesem Leben für sich selbst heraus holen, weil sie wissen, dass sie keine zweite Chance, keinen zweiten Versuch haben werden. Doch eben das ist falsch, denn was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber am Ende seine Seele, sein Leben verliert?

Besser ist der Ratschlag, den der «Prediger» uns gibt, der all das schon längst hinter sich hat. Der «Prediger» (der König Salomo, der Sohn Davids) hat sich alles, aber auch wirklich alles reingezogen, was dieses Leben zu bieten hat. Er beschreibt das sehr ausführlich. Geld, Frauen, Macht, Erfolg, alles war dabei, aber nichts hat ihn auch nur annähernd erfüllt oder gar glücklich gemacht. Man würde erwarten, dass er als Schlussfolgerung dazu rät, auf alles zu verzichten und sich ganz Gott zu weihen, wie es bspw. Mönche und Nonnen tun. Aber nein! Sein Ratschlag lautet: «Freue dich, Jüngling, in deiner Jugend, und dein Herz mache dich fröhlich in den Tagen deiner Jugendzeit! Und lebe nach dem, was dein Herz wünscht und wonach deine Augen ausschauen! Doch wisse, dass um all dieser Dinge willen Gott dich zur Rechenschaft ziehen wird!» (Pred 11,9). Man darf, ja man soll das, was die gute Hand Gottes uns Tag für Tag darreicht, geniessen und sich daran erfreuen, aber nicht ohne, sondern mit Gott! Wer sich ständig bewusst macht, dass er vor Gott für das, was er tut oder nicht tut, verantwortlich ist, wird nicht schon in diesem Leben nicht zu kurz kommen, dennoch eine Freiheit erfahren, die die übrigen Menschen nicht kennen, weil sie sich von den Dingen dieser Welt und von ihren Begierden versklaven lassen, und letztlich auch seine eigene Seele retten, weil er die Begegnung mit seinem HERRN nicht zu scheuen hat.

Vers 28

Wahrlich, ich sage euch: Es sind einige von denen, die hier stehen, die werden den Tod keinesfalls schmecken, bis sie den Sohn des Menschen haben kommen sehen in seinem Reich. Mt 16,28

Dies ist einer jener Verse, den Spötter besonders gern anführen, um sich über die Bibel lustig zu machen. Sie sagen nämlich, dass diese Aussage sich offenkundig nicht erfüllt habe, denn alle, zu denen der Herr Jesus gesprochen habe, seien gestorben, aber Er sei noch immer nicht gekommen in Seinem Reich. Dabei müsste man doch nur die nächsten Verse lesen! Allerdings wird der Zusammenhang hier leider durch eine unglückliche Kapitelunterteilung verschleiert. Die Einteilung der Bibelbücher in Kapitel und Verse gehört nicht zum Wort Gottes, sondern ist eine menschliche Hinzufügung, die das Auffinden von bestimmten Stellen erleichtern soll. Die Einteilungen sind deshalb potentiell fehlerbehaftet, wobei man jedoch durchaus einräumen darf, dass sie in den allermeisten Fällen sehr gut vorgenommen worden sind. Nur hier passt es nicht ganz, denn durch den «Bruch» zwischen Mt 16,28 und dem nachfolgenden Vers Mt 17,1 scheint es, als würde der vor uns liegende Vers Mt 16,28 einen Abschnitt abschliessen, der u.a. vom kommenden Gericht spricht, und als würde ab Mt 17,1 ein neuer Abschnitt beginnen. In Tat und Wahrheit geht es aber in Mt 17,1 nahtlos weiter. Der Bericht über den sogenannten «Berg der Verklärung» ist also nicht ein neuer Abschnitt, sondern er gehört inhaltlich untrennbar zum letzten Abschnitt in Mt 16, der hier vor uns liegt.

In Mt 16,28 spricht der Herr Jesus darüber, dass einige Seiner Jünger Ihn «in Seinem Reich» kommen sehen werden, noch bevor sie sterben würden. Das bedeutet nicht, dass Sein Königreich sichtbar noch vor dem Tod dieser Jünger hätte anbrechen müssen. Die Prophezeiung muss nämlich auch dann bereits als erfüllt qualifiziert werden, wenn mindestens zwei Seiner Jünger Ihn in Seiner zukünftigen Herrlichkeit (die Er während Seiner Königsherrschaft hier auf der Erde haben wird) gesehen haben. Der Herr Jesus hat in Mt 16,28 nämlich nicht vom Aufrichten des Königreiches auf der Erde gesprochen, sondern nur vom Sehen Seiner Person im Zusammenhang mit jener Herrschaft. Es geht darum, dass Ihn einige Seiner Jünger in Seiner ganzen Pracht sehen sollten und nicht so, wie Er damals auf dieser Erde gewandelt ist, als Knecht ohne äusserliche Anziehungskraft (vgl. Jes 53,2). Und genau das finden wir eben im Bericht ab Mt 17,1! Drei Seiner Jünger wurden Augenzeugen Seiner zukünftigen Herrlichkeit. Die Prophezeiung hat sich erfüllt.

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